Lokamote

Wenn Sie im Unterricht immer gut aufgepasst haben, müssten Sie sich über folgenden Satz wundern:

Ich hab in Italien wegen der häufigen Restaurantbesuche in drei Wochen zwei Kilo zugenommen.

Warum wundern? Weil es nicht ins „tekamolo“-Schema passt, das bei Deutschlehrern so beliebt ist, dass sie es stunden- und tagelang erklären und üben lassen. Und hier wie so oft in DaF wundert man sich, dass niemand bemerkt, dass es erstens oft nicht stimmt und dass es zweitens ziemlich nutzlos ist.

Erstens: oben steht „lo“ (das hier auf die Frage wo? antwortet) vorne, völlig regulär. Stark nach hinten tendieren eher die Richtungsangaben, vor allem die obligatorischen: Ich fahre … nach Italien. Und „in drei Wochen“ ist „te“ oder nicht? Und was nützt uns das ganze tekamolo, wenn es noch so viele Einschränkungen und Unklarheiten gibt?

Aber das ist nicht der Haupteinwand gegen (ausführliche) Behandlung von tekamolo im Unterricht. Das wirkliche Problem ist, dass die Abfolge der Angaben nachrangig ist gegenüber der Abfolge der obligatorischen Elemente; dass diese aber so gut wie nie behandelt wird.

Es ist ähnlich wie bei der Konjunktion als, die bekanntlich in Vergangenheitssätzen verwendet wird, wenn die bezeichnete Aktion keine wiederholte war: Als ich nach Italien fuhr vs. Jedesmal wenn ich nach Italien fuhr. Wie oft hat man Ihnen das erklärt, wie viele Stunden haben Sie das geübt? Dabei ist es eine der nutzlosesten, wenn nicht sogar schädlichsten Regeln überhaupt, jedenfalls vor Erreichen der Oberstufe. In Grund- und Mittelstufe kommt überhaupt kein Mensch auch nur auf den Gedanken, wiederholte Aktivitäten in der Vergangenheit zu beschreiben. Auf diesen Stufen gibt es nur ein Problem, um das man sich – und zwar gründlich – kümmern muss, nämlich falsches wenn für die Vergangenheit. Sätze wie den folgenden höre ich und hören alle meine Kolleginnen und Kollegen, bis weit in B2 hinein, zehnmal am Tag:

*Wenn bin ich heute aufgestanden …

Trotzdem macht man unverdrossen Seite um Seite wenn-als-Differenzierung für die Vergangenheit. Und warum? Weil es so „präsentabel“ ist, so leicht zu erklären und zu verstehen und zu beüben, im Gegensatz zu vielen andern Dingen in der Grammatik – die aber dafür viel wichtiger sind.

Eben das gilt auch für das Verhältnis von tekamolo und allgemeinen, also nicht nur für Angaben geltenden Stellungsregularitäten. Es ist viel wichtiger, z.B. klarzumachen, dass

  • fast alle Pronomen weit vorne stehen
  • der Dativ nach vorne tendiert
  • der bestimmte Akkusativ nach vorne, der unbestimmte nach hinten
  • Präpositionalergänzungen nach hinten streben

Haben Sie davon schon mal gehört? Es klingt etwas kompliziert, ist aber mit etwas Geduld gut in den Griff zu kriegen und wirklich sehr nützlich. Außerdem trägt es meiner Meinung nach viel dazu bei, das „Sprachgefühl“ zu entwickeln, im Gegensatz zu dem sinnleeren tekamolo-Schema. Sehen wir uns zum Schluss noch ein paar Sätze an, die sich davon ableiten lassen.

(Pronomen vorne)
Früher hat es hier viel mehr Bäume gegeben.
… weil ich es ihm schon hundertmal gesagt habe.

(Akkusativ: bestimmt vs. unbestimmt)
Sie hat ihren Freund letztes Jahr in Italien kennengelernt.
Sie hat in Italien letztes Jahr einen netten Mann kennengelernt.

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